Feuerwehrmann Unfall Auto

Viele Feuerwehrleute schildern uns mit dramatischen Berichten und mit unter die Haut gehenden Worten, was ihnen heutzutage als ehrenamtliche Retter abverlangt wird. ©dpa

München – Nach dem Tod eines Feuerwehrmanns durch Überlastung erreichen uns dramatische Berichte aus dem Alltag der ehrenamtlichen Retter. Feuerwehrleute packen aus: Das macht uns kaputt! Lesen Sie hier den Start unserer neuen Serie.

Der Tod des Feuerwehrmanns Michael Herklotz (46) aus Anzing (Kreis Ebersberg) hat viele Menschen bestürzt. In der Folge wollten wir wissen, welche Belastungen die ehrenamtlichen Lebensretter erdulden müssen. Nach unserem Aufruf erreichte uns eine unerwartet große Zahl an Zuschriften, in denen Feuerwehrmänner und -frauen extreme Belastungen schildern, denen sie ausgesetzt sind. Dabei gehen den Feuerwehrleuten längst nicht nur die schlimmen Bilder von Verletzen und Toten an die Substanz. Zunehmend machen den Rettern die mangelnde Anerkennung sowie die bürokratischen und (kommunal-)politischen Schikanen zu schaffen.

Viele Feuerwehrleute schildern uns mit dramatischen Berichten und mit unter die Haut gehenden Worten, was ihnen heutzutage als ehrenamtliche Retter abverlangt wird. Aus Respekt vor den persönlichen Berichten, die die Verfasser offensichtlich viel Kraft gekostet haben, wollen wir nicht nur einzelne Stichpunkte aus den Schreiben auflisten. Die Feuerwehrleute sollen ungekürzt zu Wort kommen. Damit sich jeder ein unverfälschtes Bild davon machen kann, was ihnen mittlerweile abverlangt wird. Vielleicht tragen ihre Schilderungen dazu bei, dass unsere Gesellschaft den Feuerwehrleuten mit mehr Dankbarkeit begegnet. Und dass nicht zuletzt Arbeitgeber und Kommunalpolitiker auch mal ihre Interessen hintanstellen, wenn es um das Leben von anderen Menschen geht.

Feuerwehrmann: Schlimme Bilder, die nicht aus dem Kopf gehen

Ein Feuerwehrmann aus dem Landkreis München berichtet von grauenhaften Bildern, mit denen die Retter laufend konfrontiert werden. Für viele Feuerwehrleute ist es schwierig diese Eindrücke zu verarbeiten.

Die erste Geschichte (Link zum Bericht), die ich Ihnen vortragen möchte ereignete sich im April, letzten Jahres. Unsere Ortschaft hatte zu diesem Zeitpunkt sehr tief in den Vorbereitungen der Maifeier gesteckt und alle waren heilfroh, am Abend vor den Festtagen nach Hause zu kommen. Die genaue Uhrzeit bekomme ich nicht mehr hin, aber es war 22 oder 23 Uhr, als wir alarmiert wurden. Wir wurden zu einem Verkehrsunfall gerufen. Als wir ankamen, sahen wir den Pkw, der letztlich unbeschadet am Seitenrand, mit offener Heckklappe, stand. Wir suchten also den dazugehörigen Fahrer und wurden etwa 30 bis 40 Meter weiter fündig. Hinter der Leitplanke in der Böschung lag ein lebloser Körper eines Mannes um die 50 Jahre. Ich möchte gar nicht weiter ins Detail gehen wie ein solcher aussieht, nachdem er sich selbst entschieden hatte seinem Leben ein Ende zu setzen und auf die Fahrbahn zu gehen. Er wurde von einem heranfahrenden Mercedes erfasst.“

Die zweite Geschichte (Link zum Bericht) ging leider ähnlich aus. Wir wurden zu einem Verkehrsunfall mit Leichenfund gerufen. A95, Fahrtrichtung Garmisch Partenkirchen, Höhe Wadlhauser Gräben. Um einen Baum gewickelt, der zwischen der Autobahn und einem stillgelegten Parkplatz steht, sahen wir einen Audi. Der Wagen stand im Regen komplett durchnässt in der Wiese um den Baum gewickelt. Wir kamen an und sicherten zuerst die Unfallstelle ab und bemerkten schon den unangenehmen Geruch der in der Luft lag. Nachdem der Fahrer des Wagens schon gut über eine halbe Stunde im Regen in dem Wagen lag, mit offenen Nasenbein, sowie offener Schädeldecke, roch die Unfallstelle extrem nach Eisen. Und diesen Geruch… dieser Geruch verflog nicht. Unsere Aufgabe bestand im Laufe des Einsatzes darin, die Leiche aus dem Wagen zu bergen. Ein Kollege der benachbarten Wehr übernahm dies, was sicher niemand zu keiner Tageszeit oder in seinem Leben gerne machen möchte. Er packte den Mann an beiden Armen und zog, so gut es ging. Ich kenne diesen Kollegen und ich weiß, dass er einiges abhaben kann. Aber selbst dieser Anblick ließ ihn blass erscheinen. Und so sah er während und nach dem Einsatz aus. Wir trugen den Verunglückten auf die andere Seite, so dass man die Leiche von der Autobahn nicht sehen konnte. Dieser Einsatz war einer, der sich in die Länge zog und wie ich jetzt weiß, auch nicht so leicht aus dem Kopf zu bekommen war.“

Feuerwehrmann (27): Feuerwehr ist eine Berufung – sonst hältst Du es nicht aus

Ein Feuerwehrmann, der Wert darauf legt, anonym zu bleiben (was wir natürlich in jedem Fall respektieren), listet eine ganze Reihe an Belastungen, auf die Feuerwehrleute mittlerweile in Kauf nehmen müssen, wenn Sie anderen Menschen ehrenamtlich helfen wollen: mangelndes Verständnis des Arbeitgebers, Unvereinbarkeit mit dem Familienleben, Hickhack mit der Kommunalpolitik, Arbeitsüberlastung und nicht zuletzt traumatische Bilder im Einsatz.

„Ich bin 27 Jahre alt und seit 17 Jahren der Feuerwehr angehörig. Mit zunehmendem Alter steigt der Ausbildungsstand und damit auch die Verantwortung und die Anzahl der übertragenen Aufgaben. Unweigerlich. Das führt zu Problemen.

  • Der Arbeitgeber  spielt heute nicht mehr so mit, wie früher. Heute überlegt man sich zweimal ob man auf kleinere Einsätze mitfährt oder in der Arbeit bleibt. Schließlich zahlt immer noch der Arbeitgeber mein Gehalt, nicht die Feuerwehr.
  • Gleiches gilt auch für die Nachteinsätze, es fehlt nicht nur der Schlaf, sondern auch körperliche Erschöpfung durch nächtliche Arbeit kommt dazu.
  • Familie: wenn man Familie hat, wird es immer schwieriger, diese mit dem Hobby und der Arbeit unter einen Hut zu bringen. Wie soll man seinen Kindern erklären, dass Papa aus der Arbeit kommt, aber noch für ein paar Stunden in die Feuerwehr muss? Natürlich alles unentgeltlich.
  • Die Stadt bzw. Gemeinde als Träger der Feuerwehr. Sie ist von Gesetzes wegen zur Sicherstellung des Brandschutzes verpflichtet. Eine unliebsame Aufgabe, die auch noch Geld kostet. Da Geräte, Fahrzeuge und Häuser instand gehalten werden müssen und laufende Kosten verursachen, wird natürlich am Personal gespart. Bis auf die Kommandantur erhält niemand eine Aufwandsentschädigung. Alle arbeiten freiwillig mit, egal ob Kfz-Schlosser, Ausbilder, Gerätewarte. So kommt man auf seine 15 Stunden die Woche, dazu kommen Übungsabende, Sitzungen, Vorbereitungen auf Ausbildungen, Fortbildungen und natürlich die Einsätze.
  • Die Arbeit wird auch nicht weniger dafür aber das Personal. Immer mehr Aufgaben werden auf immer weniger Schultern verteilt. Und die Stadt sieht die Feuerwehr in der Regel nur als lästigen Kostenfaktor, bei dem auch in der Materialbeschaffung auf jeden Cent geachtet wird. Zu Lasten, unserer Sicherheit und der der Bürger.
  • Die Vielfältigkeit und Anzahl der Einsätze hat sich über Jahrzehnte verändert. Während früher Brände die Hauptgründe für Einsätze gewesen sind, spielen sie heute die geringste Rolle. Heute rückt die Feuerwehr vermehrt zu Fehlalarmen, Ölspuren, Türöffnungen, Verkehrsunfälle, Tragehilfen für den Rettungsdienst, Aufzugsproblemen und kaputten Rauchmeldern aus.
  • Von der Bevölkerung gibt es schon längst keine Anerkennung mehr für den geleisteten Einsatz. Hier muss man sich noch rechtfertigen, beschimpfen und beleidigen lassen. Es findet eine Verrohung der Gesellschaft statt und jeder erwartet unsere Hilfe wie selbstverständlich.
  • Die Auswirkungen auf mich als Einsatzkraft selbst. Ich soll 24 Stunden, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr einsatzbereit sein. Man verlangt von mir als Einsatzkraft dass ich da bin, dass ich mich regelmäßig fortbilde und meinen Wissensstand im Einsatz und in der Ausbildung zur Verfügung stelle. Als Dank bekomme ich noch mehr Arbeit und Bilder von Einsätzen, die man selten bis nie mehr vergisst. Der Anblick und Geruch von verbrannten Menschen, Unfallopfer bei Verkehrsunfällen oder auch der Senior, der seit drei Wochen schon tot in der Wohnung liegt.
  • Natürlich weiß ich, dass hier vieles im Extremen berichtet ist, aber so ist nun mal der Einsatzdienst zu sehen. Man verzichtet auf Familie, Freizeit und Erholung um anderen Menschen zu helfen. Warum wir alle Feuerwehrleute das noch tun? Weil uns die Kameradschaft soviel mehr gibt, wie eine zweite Familie ist und man das Gefühl erlebt, gebraucht zu werden. Feuerwehr ist eine Leidenschaft, eine Berufung. Hast du dieses Gefühl nicht, wirst du nicht lange aushalten. Und wenn es nicht mal mehr wir machen, wer dann?

Quelle: tz/ Merkur Online