Feuerwehrler klagen: Politik und Bürokratie machen uns fertig! © dpa
München – „Die Bürokratie zerfrisst uns“, klagt eine Feuerwehrfrau. Ein Kollege berichtet von zermürbenden Kämpfen im Gemeinderat um jede Neuanschaffung. Teil 2 unserer Serie: Das macht unsere Feuerwehrler kaputt!
Der Tod des Feuerwehrmanns Michael Herklotz (46) aus Anzing (Kreis Ebersberg) hat viele Menschen bestürzt. In der Folge wollten wir wissen, welche Belastungen die ehrenamtlichen Lebensretter erdulden müssen. Nach unserem Aufruf erreichte uns eine unerwartet große Zahl an Zuschriften, in denen Feuerwehrmänner und -frauen extreme Belastungen schildern, denen sie ausgesetzt sind.
Im ersten Teil unserer Serie berichteten ehrenamtliche Feuerwehrler über schlimme Bilder im Einsatz, mangelndes Verständnis der Arbeitgebers und Unvereinbarkeit mit dem Familienleben. Zwei weitere Themen, die Feuerwehrleuten unter den Nägeln brennen: Ärger mit der Politik und der Bürokratie.
Feuerwehrfrau: Die Kommunalpolitik spielt mit unserer Sicherheit
„Die Kommunalpolitik spielt mit der Sicherheit der Feuerwehrleute!“ Diesen Vorwurf erhebt eine Feuerwehrfrau aus dem Landkreis Ebersberg, die anonym bleiben will. Sie schildert einen zermürbenden Kampf der ehrenamtlichen Lebensretter um Geld für die Feuerwehren. „Jede noch so kleine Beschaffung ist ein Hürdenlauf“, berichtet sie über Auseinandersetzungen mit Gemeinderäten. Die Folge: Demotivierte Feuerwehrleute. Nicht selten hänge ein Kommandant aufgrund des Hickhacks mit Kommunalpolitikern sein Amt an den Nagel. Das ist ihr Bericht im Wortlaut:
„Seit ‚erst‘ 16 Jahren bin ich nun Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Durch einen Ortswechsel durfte ich bereits zwei Gemeindefeuerwehren des Landkreises Ebersberg kennen lernen. Glücklicherweise wurde die Feuerwehr meines ersten Wohnorts in einer Großgemeinde immer sehr gewürdigt. Neben regelmäßiger Würdigungen des Ehrenamts, wie etwa beim Neujahrsempfang, sind dort selbst größere Beschaffungen relativ problemlos.
Ganz anders in meiner derzeitigen Feuerwehr. In einer kleineren Gemeinde wird hier viel stärker auf die doch recht schmalen Budgets geachtet. Selbst persönliche Schutzausrüstung der Einsatzkräfte muss hier mit viel Ellenbogenarbeit durchgeboxt werden. Jede noch so kleine Beschaffung ist ein Hürdenlauf – so ist es auch kein Wunder, dass der völlig veraltete Fuhrpark ständig in Eigenleistung notdürftig ‚restauriert‘ wird. Das Traurigste an der ganzen Sache ist allerdings, dass dies die Motivation der Mannschaft und insbesondere der Führungskräfte extrem runter zieht. Die Energie der Kommandanten und Gruppenführer wird durch ellenlange Verwaltungsläufe bis ins unermessliche strapaziert.
Es ist traurig, dass die Glaubwürdigkeit von den Ehrenamtlichen, welche Verantwortung für das Leben ihrer Einsatzkräfte tragen, durch die Gemeinde in Frage gestellt wird. Was hätte denn bitteschön ein Kommandant davon, wenn er Hosen bestellt, die niemand benötigt?
Deshalb mein Appell an alle Gemeindeverwaltungen, Gemeinderäte und weitere Entscheidungsträger über die Mittel der Freiwilligen Feuerwehren: Bevor ihr das nächste Mal Anträge ablehnt oder gar unter den Tisch fallen lasst – wir möchten uns nicht an der Gemeinde bereichern, sondern legen lediglich Wert auf unsere und anderer Gesundheit! Wenn ihr unsere Anfragen ausschlagt, dann spielt ihr nicht nur mit unserer Sicherheit, sondern auch mit unserem Vertrauen und mit der wertvollen Zeit unserer Führungskräfte. Nicht selten gibt ein Kommandant sein Amt ab, weil er den ‚Kampf mit der Kommune‘ müde ist!“
Feuerwehrmann: Die Bürokratie zerfrisst uns allmählich
„Die Bürokratie zerfrisst uns allmählich“, beklagt sich ein Feuerwehrmann aus dem Landkreis Ebersberg, der anonym bleiben will. Er schildert, wie viele zusätzliche Arbeitsstunden der Papierkrieg nach den Einsätzen den ehrenamtlichen Lebensrettern beschert.
„Ich bin Zugführer in einer der größten und alarmstärksten Feuerwehren im Landkreis Ebersberg. Seit Einführung der (für uns wertvollen) integrierten Leitstelle, hat sich die sogenannte Einsatznachbearbeitung um ein Vielfaches verändert. Früher wurde nach jedem Einsatz ein kurzer Bericht ausgefüllt und zu den Akten gelegt. Mittlerweile müssen wir diese in ein bayernweites System eintragen, mit sämtlichen Details wie jedes eingesetzte Gerät, Daten und Beschreibung zum Einsatz, etc. Dies dauert, je nach Einsatzumfang (evtl. Nachrecherche), zwischen 5 und 20 Minuten. Dies sind bei knapp 200 Einsätzen jährlich, im Schnitt um die 2000 zusätzlichen Stunden, die wir aufbringen müssen. Ehrenamtlich, versteht sich.
Unsere Freiwillige Feuerwehr fordert seit einigen Jahren eine Stelle für einen Sachbearbeiter Feuerwehr, der die Kommandanten und Führungskräfte der Feuerwehr entlastet und etwa die oben genannte Aufgaben übernimmt. Passiert ist mit unserem Antrag bis jetzt, NIX! Das genannte Problem mit der Zunahme an bürokratischer Arbeit ist aber noch wesentlich weit tragender…“
Feuerwehrmann: Gesundheitliche Probleme wegen Stress
Ein ehrenamtlicher Feuerwehrmann aus dem Kreis Fürstenfeldbruck berichtet von Stress aufgrund gesundheitlicher Probleme. Auch er berichtet von Arbeitsüberlastung – nicht zuletzt durch Bürokratie. So fresse die Planung und Ausschreibung eines neuen Feuerwehrfahrzeugs allein rund 1500 Arbeitsstunden! Der Feuerwehrler fragt: Können uns nicht mal Gemeinden oder Landratsämter bei den Unmengen an Papierkram entlasten?
„Ich bin mittlerweile seit etwa zehn Jahren Mitglied der freiwilligen Feuerwehr in unserem Ort. Was anfangs ein Zeitvertreib mit den Kumpels war, hat sich mittlerweile zu einer unbezahlten Nebentätigkeit entwickelt. Übungen (als Teilnehmer sowie als Ausbilder), Arbeitsdienste, Lehrgänge die am Abend oder Wochenende stattfinden, Einsatzvorbereitungen, Objektbesichtigungen und natürlich Einsätze, die auch mal bis zu vier Tagen dauern können. Das alles und noch einige andere Sachen bringt der Feuerwehrdienst mit sich.
Ich muss dazu sagen, dass ich noch recht jung bin und das ganze noch nicht als Belastung empfinde. Ich melde mich ja schließlich auch gerne, wenn Arbeit zu erledigen ist. Allerdings sehe ich auch viele ‚ältere‘ Feuerwehrkameraden (damit sind schon Leute ab 30 gemeint), die mit der Dauerbelastung nicht mehr so gut klarkommen.
Aktuell haben wir auch einen Fall, wo eine Führungskraft aufgrund von Stress gesundheitliche Probleme hat. Natürlich haben auch sie sich die Arbeit selber aufgehalst, doch irgendwer muss es ja machen. Und da sind natürlich immer wieder die gleichen dran. Gerade engagierte Mitglieder und besonders Führungskräfte stecken Unmengen an Zeit in diese Tätigkeit.
Ich denke ich spreche für den Großteil der Feuerwehrkräfte (und freilich auch denen des THW, der Johanniter und aller anderen Hilfsorganisationen, die ihr Personal ehrenamtlich beschäftigen), wenn ich sage, dass wir gerne anderen Leuten helfen und alles was dazugehört. Aber gerade die administrativen Tätigkeiten, seien es Haushaltsplanungen, Planungen für neue Fahrzeuge oder ähnliches nehmen unglaublich viel Zeit in Anspruch. Hier sollte geprüft werden, ob sich eine Entlastung durch die Gemeinde bzw. das Landratsamt möglich ist.
Allein die Planung und Ausschreibung eines neuen Fahrzeuges braucht rund 1500 Std. Ob das den Leuten so bewusst ist, wage ich zu bezweifeln. Mal von der Einführung, Beschaffung oder Ausbildung des neuen Digitalfunks ganz zu schweigen. Hier wird für eine Sache Zeit aufgebracht, die nicht mal einen konkreten Mehrwert bringt.
Wenn wir zu Einsätzen gerufen werden, lassen wir alles stehen und liegen, um Leuten zu helfen. Dass da auch mal der ein- oder andere Fehlalarm oder Falschalarm dabei ist, ist überhaupt nicht tragisch. Was uns aber alle nervt, ist, wenn die Leute die Feuerwehr mit einem Hausmeisterservice, Schlüsseldienst oder Putzunternehmen verwechseln. Ein paar kleine Äste, die höchstens den gepflegten Rasen beschädigen könnten sind kein Grund, um 6 Uhr morgens den Notruf zu wählen. Ebenso bei fünf Millimetern Wasser im Keller etc. Diese ‚Einsätze‘ belasten nämlich auch – vor allem die Nerven.“
Quelle: tz/ Merkur Online
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