Belastende Bilder im Einsatz können Feuerwehrleuten psychisch extrem zu schaffen machen. © fib/ispr.camera
München – In der vierten Folge unserer Feuerwehr-Serie berichten ehrenamtliche Lebensretter, welche Schreckensbilder sie im Einsatz sehen mussten. Manche Szenen lassen sich kaum verarbeiten.
Der Tod des Feuerwehrmanns Michael Herklotz (46) aus Anzing (Kreis Ebersberg) hat viele Menschen bestürzt. In der Folge dessen wollten wir wissen, welche Belastungen die ehrenamtlichen Lebensretter erdulden müssen. Nach unserem Aufruf erreichte uns eine unerwartet große Zahl an Zuschriften, in denen Feuerwehrmänner und -frauen extreme Belastungen schildern, denen sie ausgesetzt sind.
WARNUNG! In der heutigen Folge unserer Serie beschreiben Feuerwehrmänner und Frauen furchtbare Szenen, die sie an Unfall- und Unglücksorten gesehen haben. Die drastischen Beschreibungen könnten manche Leser beunruhigen. Andererseits bekommt man über diese Schilderungen auch eine Vorstellung, welche Bilder unsere ehrenamtlichen Lebensretter täglich verarbeiten müssen.
Teil 1 der Serie: Feuerwehrleute packen aus: Das macht uns kaputt!
Teil 2 der Serie: Feuerwehrler: So machen uns Politiker und Bürokratie fertig
Teil 3 der Serie: Feuerwehrleute: Wo bleibt der Respekt für unsere Arbeit?
Feuerwehrfrau: Panikattacken und Depressionen nach Horror-Bildern
Wie schwer es Feuerwehrleuten fallen kann, Schreckensbilder zu verarbeiten, zeigt der Bericht einer Feuerwehrfrau, der uns erreicht hat. Sie erlitt nach einem Horror-Unfall auf der Autobahn einen Zusammenbruch. Das ist ihre Geschichte.
„Ich bin Mareike, 25 Jahre alt, seit meinem zehnten Lebensjahr bei der Feuerwehr und musste schon die schlimmsten Bilder sehen. Der Tropfen, der mein Fass zum Überlaufen gebracht hat, war ein Einsatz, den ich bis heute nicht mehr aus meinem Kopf bekomme.
Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Es war Neujahrsnacht 2012. Wir hatten gefeiert und gingen gegen 2 Uhr ins Bett. Nach etwa 2 Stunden um 4 Uhr ging der Pieper. Wir sprangen hoch und los ging’s zum Gerätehaus. Niemand wusste, was los war. Die Leitstelle wollte über Draht reden. So bekam ich nicht mit, was war. Ich saß auf dem ersten Fahrzeug und los ging es dann. Zur Autobahn zum Ausleuchten einer Unfallstelle.
Als wir ankamen, bot uns ein Bild des Grauens: Ein Mann hatte einen Unfall mit seinem Fahrzeug gehabt und wurde dann – als er nachschauen wollte – von insgesamt vier Autos mitgerissen. Die Unfallstelle ging über eineinhalb Kilometer. Es war nicht mehr so viel übrig von diesem Mann. Ich wusste, ich kann es nicht: Die Einzelteile aufsammeln. Aber wo sollte ich hin? Wir waren auf der Autobahn und das einzige Fahrzeug war von uns. Die Unfallstelle musste ja ausgeleuchtet werden. Ich setzte mich ins Fahrzeug. Ich dachte, das wäre der sicherste Ort. Doch leider sah ich dort alles am besten. Es war so schlimm. Am schlimmsten war der Geruch. Dieser schreckliche Geruch von nassem Eisen verfolgt mich bis heute.
Ich brach in der darauffolgenden Nacht zusammen. Ich wurde krank. Ich hatte Ängste und Panikattacken. Immer waren die Bilder da und dieser Geruch. Ich wurde dadurch depressiv und musste in eine Psychiatrie. Heute kann ich gut darüber sprechen. Dies hat mir auch sehr geholfen und ich stehe dazu. Schlimm ist nur, dass ich dadurch meinen Arbeitsplatz verloren habe und ich keine Entschädigung bekam.
Ich muss aber sagen, dass ich heute immer noch leidenschaftlich in der Feuerwehr bin. Ich bin mir bewusst, dass so etwas wieder passieren kann. Aber ich kann nicht anders. Feuerwehr ist mein Leben auch wenn sie einen Teil davon zerstört hat.“
Feuerwehrmann: Diese Gerüche, Geräusche und Bilder vergisst man nicht mehr
Ein anonymer Feuerwehrmann schildert uns Schreckensbilder, die er in seinen Einsätzen erlebte – und mit denen er hinterher fertig werden musste. Für seinen ehrenamtlichen Dienst erwartet er weder Dank noch Anerkennung. Aber: Er bittet seine Mitbürger um Verständnis im Straßenverkehr, wenn die Feuerwehr wieder zu einem Einsatz rasen muss.
„Manche Dinge vergisst man nie:
Feuerwehrmann: Von Gaffern als „Arschloch“ und „Grattler“ beschimpft
Zusätzlich zu den schlimmen Bildern am Einsatzort machen den Feuerwehrlern auch noch die Gaffer zu schaffen. Wie ein Feuerwehrmann uns berichtet, blockieren die Schaulustigen auf der Jagd nach einem spektakulären Foto zuweilen auch die Rettungskräfte:
„Die Ignoranz und Verrohung greift in der Gesellschaft leider immer mehr um sich. An die Beschimpfungen bei Straßensperrungen habe ich mich mittlerweile ja gewöhnt. An mitunter dutzende Schaulustige, die mit Unfallopfern am liebsten noch schnell ein Selfie machen möchten, ebenso.
Den Bock abgeschossen in meinem bisherigen Dasein als Feuerwehrmann hat ein Vorfall vor einigen Jahren: Bei einer Flugshow war ein Flieger abgestürzt. Am Boden angekommen hing der tote Pilot aus der Kanzel. Er war verbrannt. Mit einigen Metern Abstand fotografierten Schaulustige die Szenerie mit dem Handy in der einen und der Wurstsemmel in der anderen Hand. Manche hatten sich der Absturzstelle bis auf drei, vier Meter genähert und standen u.a. mit Kindern auf dem Arm auf einem Bahngleis. Auf meine Bitte, zurückzutreten, stemmten sich einige mit Manneskraft gegen meinen Versuch, die Uneinsichtigen nach hinten zu drängen. Es fielen Worte wie „Arschloch“ und „Grattler“.
Den Anblick mancher entstellter Unfallopfer kann man mit der Zeit verarbeiten. Derartige Vorfälle nicht. Man kann sich in so einer Situation auch nicht groß durchsetzen. Man ist einfach nur fassungslos, ja fast schon gelähmt.“
Feuerwehrmann: Die Gerüche aus dem Einsatz kommen im Alltag wieder hoch
Ein Feuerwehrler beschreibt uns, wie belastende Eindrücke vom Einsatzort in seinem Alltag immer wieder hochkommen:
„Beim Lesen der Berichte über den Geruch an der Einsatzstelle denke ich an meine persönlichen Erlebnisse als Feuerwehrmann. In der Regel riecht es an Unfallstellen immer nach Kupplung, Bremse, Eisen – wie der Kamerad es schilderte – und Betriebsstoffen. Bei jedem Stau, in dem ich stehe, an Tankstellen, riecht es oftmals ähnlich. Hier kommen immer wieder die Bilder von Unfällen, bei denen man Hilfe geleistet hat, Flashbacks quasi nach oben und in den Tag zurück. Bilder, die man nicht haben möchte, weil sie real sind oder waren und nicht weit weg im Fernsehen. Man muss damit leben lernen und akzeptieren, dass sie da sind.
Das Schlimmste an der Sache ist aber: Wenn du dir ärztliche Hilfe holen möchtest, brauchst Du keinen Wechsel zu einer anderen Krankenkasse anstreben. Denn: Durch die psychologische Behandlung wirst Du keine Kasse finden, die Dich anschließend aufnimmt, weil Du durch die Gesundheits-Fragen gnadenlos durchrasselst. Außerdem ist das mit der gesetzlichen Unfallversicherung auch so eine Sache. Bleibende Schäden, gleich welcher Art, sind sehr schwer durchzubekommen. Oftmals bleibt der geschädigte Feuwerwehrler alleine.
Auch meint die Gesellschaft, wir sind der allgemeine Hausmeisterdienst. Selbsthilfe findet in vielen Fällen nicht statt, sondern es wird gewartet, bis die Feuerwehr kommt. Bei Stürmen, Unwetterkatastrophen lassen wir unser eigenes Hab und Gut liegen, um anderes zu schützen. Unsere Familien haben da oftmals ein Verständnisproblem. Das macht oft müde und traurig, weil man das Gefühl hat, zwischen den Fronten aufgerieben zu werden. Ich werde trotzdem weitermachen, da es mir persönlich sehr viel gibt, wenn und ab und zu doch einmal ein Danke zu hören ist. Gott zur Ehr, dem nächsten zur Wehr!“
Quelle: tz/ Merkur Online
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