Immer wieder gibt es bei Unfällen Gaffer, die sich am Leid anderer anscheinend nicht sattsehen können. © Hans-Helmut Herold
München – In der fünften Folge unserer Feuerwehr-Serie klagen ehrenamtliche Lebensretter über Gaffer am Einsatzort. Und: Sie ärgern sich über Bürger, die sie im Einsatz anfeinden.
Der Tod des Feuerwehrmanns Michael Herklotz (46) aus Anzing (Kreis Ebersberg) hat viele Menschen bestürzt. In der Folge wollten wir wissen, welche Belastungen die ehrenamtlichen Lebensretter erdulden müssen. Nach unserem Aufruf erreichte uns eine unerwartet große Zahl an Zuschriften, in denen Feuerwehrmänner und -frauen extreme Belastungen schildern, denen sie ausgesetzt sind. Dabei gehen den Feuerwehrleuten längst nicht nur die schlimmen Bilder von Verletzen und Toten an die Substanz. Zunehmend machen den Rettern die mangelnde Anerkennung, die Vorurteile und Intoleranz mancher Bürger, die Anfeindungen im Einsatz sowie die bürokratischen und (kommunal-)politischen Schikanen zu schaffen.
Teil 1 der Serie: Feuerwehrleute packen aus: Das macht uns kaputt!
Teil 2 der Serie: Feuerwehrler: So machen uns Politiker und Bürokratie fertig
Teil 3 der Serie: Feuerwehrleute: Wo bleibt der Respekt für unsere Arbeit?
Teil 4 der Serie: Feuerwehrler: Diese Bilder lassen uns nicht mehr los
Anwohner beschwert sich: Löscharbeiten sind zu laut!
Man möchte es kaum glauben: Da löscht die Feuerwehr ein brennendes Haus. Und einem Anwohner ist der Rettungseinsatz zu laut. Außerdem berichtet uns ein Feuerwehrler über Bürger, denen in der Nacht das Martinshorn zu laut ist.
„Wir wurden nachts zum Brand einer größeren Scheune gerufen. Der Besitzer wohnte neben dieser Scheune und ließ sich nicht blicken. Während die Löscharbeiten auf Hochtouren liefen, kam seine Frau aus dem Wohnhaus und bat uns, leiser zu sein, weil ihr Mann (der Eigentümer!!) schlafen möchte. Diese Geschichte hat sich wirklich so abgespielt. Als Feuerwehrmann, der sich die Nacht um die Ohren schlägt und auch keinen Schlaf findet, möchte man in so einem Moment am liebsten alles zusammenpacken und die Bude abbrennen lassen.
In einem anderen Fall hat sich ein Bürger beschwert, weil wir nachts auf der Anfahrt zum Einsatz das Martinshorn benutzen. Allerdings machen wir das wirklich nur in schwerwiegenden Fällen, z.B. Verkehrsunfall mit eingeklemmter Person, aber nicht bei einer Ölspur. Aber scheinbar fühlte sich dieser Bürger, der selber einmal bei unserer Feuerwehr war und im Gemeinderat sitzt, durch uns gestört. An Fasching fährt er aber mit seinem Traktor und dem Faschingswagen stundenlang durch die Ortschaft und macht dort seinen privaten Faschingsumzug mit einer lauten Musik, dass die Fensterscheiben wackeln. Dass sich dadurch jemand gestört fühlen könnte, ist ihm völlig egal. Doch im Vergleich zum Faschingswagen rückt die Feuerwehr nicht zum Vergnügen aus.„
Feuerwehrler: Gaffer zeigt seinem Sohn Todesopfer an Unfallstelle
Erst vor kurzem sorgten Gaffer bei einem Unfall in Schongau für Ärger. Dort behinderten sie sogar den Rettungseinsatz. Die Feuerwehr musste extra Decken zum Hubschrauber tragen, um die Verletzten vor den Blicken der Schaulustigen zu schützen. Dass so etwas kein Einzelfall ist, berichtet uns ein Feuerwehrler aus dem Kreis Erding.
„Wir wurden damals auf eine Verkehrsunfall alarmiert. Nach kurzer Anfahrt waren wir vor dem Rettungsdienst an der Einsatzstelle. Der Auftrag, der mir zuteil wurde, war die Erstversorgung der noch im Fahrzeug eingeklemmten Person. Als dann der Rettungsdienst wenig später eintraf, übergab ich den Patienten, half dann bei der technischen Rettung. Das Verletzungsbild des Patient hat mich dann derartig schockiert, dass ich mich anschließend zurück ziehen und mich erst mal sammeln musste. Dann hörte ich von hinten, wie ein Passant der hinter der Absperrung stand sagte.: ‚Wenn der Feuerwehrler nicht so viel rumsitzt und mehr arbeitet, kommen wir auch schneller weg, faule Säcke… Ich bin aus allen Wolken gefallen…. Null Achtung, null Respekt.
Und dann noch eine Geschichte: Es war auch wieder ein Verkehrsunfall, wo es leider ein Todesopfer gab. Die Kollegen kämpfen gerade um das Leben des Fahrers. Sie reanimieren ihn. Als sich ein Gaffer und sein Sohn an die Einsatzstelle ‚verirrt‘ haben, sagt der Vater ernsthaft: „Schau mein Sohn: so sieht ein Toter aus!” Auf den Pfiff des Einsatzleiters wird nicht reagiert. Erst nachdem die Polizei eingegriffen hat, ist der Gaffer unter großem Protest gegangen.„
Feuerwehrler: Immer wieder wurden Fotos vom tödlichen Unfall gemacht
Kennen Gaffer eigentlich so etwas wie Pietät? Das muss man sich angesichts der Schilderung eines Feuerwehrmannes aus Greiling (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen) ernsthaft fragen. Er berichtet von Gaffern, die bei einem tödlichen Unfall ständig fotografierten. Die Feuerwehr musste das Fahrzeug immer wieder abdecken:
„Es gibt Einsätze, da würde man lieber den Alarm nicht hören… . So geschehen im Spätherbst 2014, als der Alarm kam: Verkehrsunfall mit eingeklemmter Person auf der B472 nahe Bad Tölz. Als wir am Nachmittag gegen 14:30 Uhr an die Einsatzstelle kamen, sah ich zuerst nur einen LKW-Kran stehen. Als ich dann auf die andere Seite sah, entdeckte ich das Unfallfahrzeug. Die Helfer des Roten Kreuzes schüttelten nur noch den Kopf, als wir zu dem Fahrzeug eilten. Die eingeklemmte Person war bereits verstorben. Ich bin schon 18 Jahre bei der Freiwilligen Feuerwehr, aber solch ein Bild habe ich noch nie gesehen.
Wir sicherten die Unfallstelle ab, warteten auf den Unfallgutachter, und mussten den Leichnam aus dem Fahrzeug befreien. Der Einsatz zog sich über mehrere Stunden. Und immer wieder mussten wir das Fahrzeug wieder abdecken, da Fotos vom Fahrzeug gemacht wurden. Das Schlimme bei diesen Einsätzen ist das Umgehen mit den Gedanken, die kann dir keiner nehmen, und die Familie Zuhause leidet mit, Tage lang.
„Feuerwehrverbot“ vom Arbeitgeber: „Die Existenz der Firma ist wichtiger, als jedes Menschenleben!“
„Ich bin jetzt seit nunmehr vier Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr Oberschleißheim und fahre seit zwei Jahren aktiv Einsätze. Auch in der örtlichen Bereitschaft und der DLRG bin ich tätig. In allen drei Organisationen wurde ich bis jetzt immer mit einem konfrontiert: Nämlich der Verständnislosigkeit und dem Egoismus anderer Menschen.
Wir verlangen ja nicht, dass uns jeder als Held sieht oder sich jeder, dem wir helfen, mit einem riesen Präsentkorb belohnt. Nein, wir machen das alles letztendlich ehrenamtlich, weil wir alle uns berufen sehen, unseren Mitmenschen in der Not zu helfen. Am meisten rühren mich ältere Leute, die sich extrem freuen, wenn man ihnen nur einen kleinen Gefallen getan oder die Tür geöffnet hat, weil der Ofen noch lief und sie sich ausgesperrt haben.
Von besonders jüngeren und den Erwachsenen (besonders Geschäftsleuten) bekommt man jedoch leider immer mehr Egoismus zu spüren. Dann hört man solche Sätze:‘
- ‚Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit‘
- ‚Macht es ihnen Spaß, die Straße grundlos zu sperren?‘
- ‚Sie machen das Blaulicht auch nur an, um schneller von A nach B zu kommen‘
- ‚Wieso hat das denn so lange gedauert?‘
Am meisten schockierte mich ein Vorfall vor einigen Jahren. Damals arbeitete ich als Praktikant in einem Fotostudio und begann jeden Morgen um 9 Uhr mit der Arbeit. Am nächsten Tag stand ein wichtiges Shooting an, jedoch wurde ich schon um 6 Uhr von meinem Funkmeldeempfänger aus dem Schlaf gerissen. ‚Verkehrsunfall mit Gefahrgut LKW. Eine Person eingeklemmt‘ hieß es. Ich fuhr daraufhin ins Feuerwehrhaus und bin mit meinen Kollegen, der Feuerwehr Garching, Hochbrück, Badersfeld, Berufsfeuerwehr München und dem ABC-Zug zur Unfallstelle auf der A9 gefahren. Das Führerhaus des LKW war komplett abgerissen und der Fahrer darin eingeklemmt. Dem PKW-Fahrer, der mit in den Unfall verwickelt war, ist Gott sei Dank nichts passiert. Die Feuerwehr Garching übernahm die Rettung des LKW. Unsere Feuerwehr übernahm die Verkehrsabsicherung und Umleitung von der Autobahn. Auch hier wurden wir wieder wüst beschimpft.
Wohlwissend, dass dieser Einsatz länger dauern könnte, gab ich gegen 8 Uhr in der Arbeit Bescheid, dass es bei mir später werden könnte. Unser Kommandant organisierte, nachdem die meiste Arbeit erledigt war, eine Fahrgelegenheit, für alle die dringend in die Arbeit mussten. Um ca. 9 Uhr bin ich dann von der Einsatzstelle weggekommen. Da jedoch Richtung Oberschleißheim sich alles gestaut hatte und ich mich auch noch duschen musste, kam ich dann erst gegen halb 11 in der Arbeit an.
Dort wurde ich dann auch gleich zum Gespräch gebeten. Man sagte mir, dass so ein Verhalten nicht akzeptabel sei. Es gehe bei den Jobs um die Existenz der Firma. Auch nach meiner Erklärung der Schwere des Unfalls und der Dringlichkeit schneller Hilfe wurde ich abgeblockt und bekam Sprüche vorgetragen, die mich fast aus den Schuhen geschmissen hätten:
- ‚Die Existenz der Firma ist wichtiger, als jedes Menschenleben‘
- „Du bist nur einer von vielen, ohne dich hätten sie es genauso geschafft“
- ‚Wenn nicht genügend Leute da sind, dann muss das eben die Berufsfeuerwehr machen.‘
- ‚Keine Gemeinde der Welt kann mir den Schadensersatz zahlen, wenn mir der Job gekündigt wird.‘
Daraufhin wurde mir wörtlich ‚Feuerwehrverbot‘ erteilt. Mir wurde auferlegt, an keinen Einsätzen mehr, weder während der Arbeit noch danach oder in der Nacht, teilzunehmen. Begründet wurde dies folgendermaßen: ‚Du musst dich schließlich in der Nacht erholen, damit du fit bist in der Arbeit‘.
Ich war nach dem Gespräch so geplättet und hab wirklich an sämtlicher Menschlichkeit gezweifelt, aber mir auch ernsthaft überlegt, was wohl gewesen wäre, wenn mein damaliger Chef in dem LKW gewesen wäre. Weil wenn diejenigen selbst mal in Not geraten, sind Sie dankbar um jeden der hilft, und dieser soll am besten alles liegen und stehen lassen.
Kaum einer weiß, wie stark die Belastung in der Feuerwehr, dem Rettungsdienst oder der Wasserrettung ist. Du musst an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden in jedem Augenblick 200 Prozent geben können. Wenn man Glück hat, startet man seine Einsätze mit Feuermeldern, Ölspuren, leichten Auffahrunfällen und arbeitet sich an Schlimmeres ran. Aber man kann auch gleich an seinem ersten Tag mit einem schweren Verkehrsunfall mit mehreren Verletzten und Toten konfrontiert werden. Keiner fragt nach, warum die Fahrbahn gesperrt ist oder wir gerade den Weg blockieren. Jeder will nur sein Handy zücken und Fotos machen anstatt zu helfen oder einfach nur rechtzeitig ankommen.Dass ein paar Meter weiter um das Leben eines Menschen gekämpft wird, das interessiert doch keinen.
Und dass man in der Nacht Beschwerden erhält, wenn man mit Martinshorn fährt, weil andere Leute schlafen wollen, das ist auch schon Alltag. Zumal wir die alle anscheinend aufwecken. All diese Dinge sind mir in nicht mal zwei Jahren passiert. Ich will gar nicht wissen, was da erst ein alter Hase sagt. Vermutlich könnte er darüber ein ganzes Buch schreiben. Fakt ist und bleibt, dass der Job sich stark geändert hat und viele Leute, welche Verständnislosigkeit und Egoismus an den Tag legen, die Leute verdrängen, welche dankbar sind für das, was alle Mitglieder in Hilfsorganisationen nicht nur hauptamtlich, sondern vor allem ehrenamtlich leisten. In diesem Sinne: Gott zur Ehr‘ dem nächsten zur Wehr!“
Feuerwehrfrau: Wir sind doch keine Feierwehr!
Eine Feuerwehrfrau aus dem Raum München beklagt sich über Vorurteile von Bürgern. Sie stellt klar: Die Freiwillige Feuerwehr trifft sich nicht nur zum Saufen!
„Ich gehöre einer Freiwilligen Feuerwehr im Raum München an und bin selber seit sieben Jahren dabei. Seit kurzem auch im aktiven Dienst. Ich habe noch keine richtigen Einsätze mitverfolgen können, aber ich bekomme die Urteile der Bürger sehr gut mit! Viele von Ihnen haben einfach nur Vorteile gegen die Feuerwehr, sie wissen einfach nicht genau, welch einer Belastung wir eigentlich ausgesetzt sind. Aber ja, wir sind ja laut der Bürger eine FEIERWEHR! Weil die Kameraden einmal ein Bier trinken. Wow! Die Mitbürger der jeweiligen Gemeinden sollten einfach zu ihrer zuständigen Feuerwehr gehen und sich erkundigen und somit einen Einblick bekommen, was wir eigentlich leisten müssen! Es ist einfach nur unverschämt, solche Vorurteile zu hören! „
Quelle: tz / Merkur Online
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